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Kunden in der SSC/BPO-Welt

Der Kunde ist heilig. Du tust alles, um ihn zu gewinnen und oft noch viel mehr, um ihn nicht zu verlieren.

In meiner jahrelangen Arbeit als Leiter einer Marketingagentur war dieses Statement eine Art Kompass für meine Arbeit. Niemand aus dem Headquarter in London musste unseren Mitarbeitern in den einzelnen Niederlassungen sagen „the Client comes first”. So sieht nun einmal die Welt der Agenturen aus, wo um jede Ausschreibung oft mindestens fünf und manchmal auch 10 Anbieter kämpfen. Heute, nach einem halben Jahr Arbeit im GS-DC, möchte ich meine Gedanken zum Thema der Rolle von Kunden in der SSC/BPO-Welt teilen.

Er gehört zu mir!

Wie allgemein bekannt ist, werden Unternehmen im SSC-Sektor vor allem dazu ins Leben gerufen, um die Bedürfnisse der eigenen Muttergesellschaft abzudecken. Aus diesem Grund können diese Unternehmen die fundamentale Herausforderung, einen Kunden zu gewinnen, damit gleich hinter sich lassen. Am Anfang transferiert die Muttergesellschaft Ihre Manager, das Know-How und oftmals auch Ressourcen, z.B. in Form von Bürofläche. Dennoch wird so, trotz einer objektiv bestehenden Nähe, eine neue Firma gegründet und es entsteht dadurch eine neue Beziehung zwischen Kunden und Service Provider. Diese Vorgehensweise bei der Unternehmensgründung und der Gewinnung des ersten Kunden (oftmals bleibt es bei diesem einem) hat sowohl positive als auch negative Auswirkungen. Fangen wir mit dem Positiven an:

Kein Bullshit

Jeder, der im Marketing oder Sales Bereich gearbeitet hat, weiß, dass man manchmal die Realität ein wenig „schön färben“ muss. Vorteile von Produkten und Leistungen werden besonders hervorgehoben, Nachteile in den Hintergrund gerückt, und der billigere Mitbewerber wird verschwiegen. Diese natürlichen Mechanismen nehmen oft abnormale Ausmaße an, was dazu führt, dass sich Kunden in vielen Branchen über den Tisch gezogen fühlen. Wer glaubt heute z.B. noch an die verheißungsvolle Werbung von Firmen für Sofortkredite (ohne Schufa)? Im Marketing für SSC-Firmen tritt dieses Problem weniger in den Vordergrund. Diese Unternehmen haben schon einen Kunden (oder z.B. mehrere Kunden aus der Konzerngruppe) und verwenden oft aus Loyalität gegenüber den Eigentümern keine leeren Werbeversprechen. Wahrheitsgehalt und Objektivität liegen damit in der Marketing-Kommunikation auf einem deutlich höheren Level.

Rolle des Mitarbeiters

Selbstverständlich sind SSC/BPO-Firmen nicht immer der ideale Arbeitsplatz. Die Arbeit ist zuweilen eintönig, die Vorgaben hoch gesetzt und das Gehalt liegt, wie überall, unterhalb der eigenen Vorstellungen. Und trotzdem gibt es etwas, was die Rolle des Mitarbeiters in der Kundenbeziehung von anderen Branchen unterscheidet. Der Kunde verlagert Prozesse in das SSC/BPO, die bislang „inhouse“ abgewickelt wurden. Die Mitarbeiter, die diese Prozesse jetzt außerhalb bearbeiten, werden, bis zu einem gewissen Maße, zu Mitarbeitern dieses konkreten Kunden. BPO/SSC-Unternehmen sind sich darüber im Klaren und tun viel, um bei den eigenen Mitarbeitern, trotz einer branchenspezifischen Fluktuation und ansehnlicher Teamgrößen, das erforderliche Kundenverständnis zu schaffen. Das wird vor allem durch intensive Schulungen erreicht.

König Kunde?

Trotzdem läuft nicht alles ideal in der SSC/BPO- Kundenwelt. Die Annahme, dass der Kunde bereits gewonnen ist und quasi dazu verurteilt, mit einem konkreten Servicecenter zusammenzuarbeiten, kann negative Folgen haben. Ähnlich wie in einer alten Ehe – die anfängliche Leidenschaft ist weg und der Alltag wird zur Routine. Serviceprovider wie das GS-DC betreiben viel Aufwand, um die Kundenzufriedenheit zu messen und Prozesse ständig zu optimieren, damit das geschärfte Bewusstsein in den Teams für gute Leistung und Verbesserungspotentiale erhalten bleibt. Damit werden Bereiche wie Exzellenz strategisch viel bedeutender für SSC/BPO-Firmen als für Unternehmen im Dienstleistungssektor.

Was verkaufen wir eigentlich?

Diese einfache Frage stellt sich in einer typischen Firma nicht, aber in der SSC/BPO-Branche gewinnt sie eine völlig andere Dimension. SSC-Unternehmen, die mit einem Kunden gestartet sind, sich aber gegenüber neuen Kunden öffnen und in Richtung BPO-Provider weiterentwickeln, stellen fest, dass sie bislang auf eine bestimmte Art und Weise blind oder sich zumindest sehgeschwächt durch die Anforderungen des Marktes navigiert haben. Das liegt daran, dass alle bisherigen Maßnahmen auf eine stabile und dauerhafte Beziehung mit einem Hauptkunden bzw. dessen Bedarf ausgerichtet waren. Jedoch gestalten sich Anforderungen am Markt unterschiedlich und jede BPO-Firma muss sich auf diese einstellen, um Kunden erfolgreich zu gewinnen. Damit wird deutlich, welche besonderen Herausforderungen Vertriebs- und Marketing-Teams bewältigen müssen; es geht darum, Augen und Ohren im Namen des Unternehmens offen zu halten, um relevante Informationen zu sammeln und im Hinblick darauf zu analysieren, welche Lösungen die Konkurrenz anbietet, wonach Kunden verlangen und welche Trends den Bedarf in Zukunft bestimmen werden.

Ist der Kunde in einer BPO-Firma also immer noch „heilig“? Mit Sicherheit ja, allerdings liegt die Messlatte für die Erfüllung seiner Bedürfnisse höher als bei typischen Dienstleistungsanbietern auf dem Markt. Die besondere Art der Kundenbeziehung in der SSC/BPO-Branche stellt zusätzliche Herausforderungen an Leistungsqualität, Bedarfsanalyse und Markttrends. Organisationen wie das GS-DC wissen um die Bedeutung dieser Ansprüche und investieren deshalb seit Jahren in entsprechende Ressourcen und überwachen kritische Leistungsparameter ihrer Kunden. Letztendlich stellt nämlich die Kundenbeziehung den Sinn einer jeden Geschäftstätigkeit dar.

Łukasz Kluj,
Marketingleiter